
Dry January – was bleibt?
Um ehrlich zu sein, habe ich, als begeisterte Weinliebhaberin und fröhliche „Da-müssen-wir-drauf-anstoßen!“-Verfechterin, über meinen Alkoholkonsum nie wirklich bewusst nachgedacht. Gehört irgendwie einfach dazu, ist überall präsent und vor allem sind es ja gefühlt nur ein paar Prozentchen, die in meinen bevorzugten Getränken drin sind. Das wurde mir klar, als mir am Neujahrsmorgen, noch lesend im Bett, der Spiegel-Artikel zum Dry January ins Auge sprang. Das lag übrigens nicht am Silvesterabend – meine Lesemotivation war nicht katergetrieben! Beim Lesen fiel mir auf, dass sich 2019 auch etwas bei meinem Konsumverhalten geändert hatte: die Ginflut hatte mich erfasst… Und damit waren alle Ausreden bezüglich „leichtem“ Alkohol mit weggeschwemmt. Noch beim Lesen des Artikels entschied ich mich: da bin ich dabei! Könnte ein lohnenswertes und interessantes Experiment zu Jahresbeginn werden.
In guter Gesellschaft?
Gemeinsam machen Experimente viel mehr Spaß! So war ich wirklich froh, dass auch mein Liebster diesen Artikel gelesen hatte und, genauso spontan wie ich, mit an Bord gekommen war. Den Trend Dry January hatte ich vorher nie wahrgenommen, aber im Laufe des Januars fand ich immer mehr Menschen in meinem Umfeld, die das schon seit vielen Jahren machen – anstatt der typischen Fastenzeit nach Karneval.
Zudem trinkt eine gute Freundin von mir schon seit längerem gar keinen Alkohol mehr. Warum? Aus Gründen! Das ist wirklich ein Phänomen! Besagte Freundin hatte mir zwar schon viel davon erzählt, aber nun durfte ich es selbst erleben. Man kann nicht einfach (mal) nichts trinken! Das wird direkt hinterfragt: Musst Du fahren? Bist Du schwanger? Nimmst Du Medikamente? Warum dann? Bitte was?! Euer Ernst? Ich kann auch tatsächlich nicht behaupten, dass mein Dry-January-Experiment ausschließlich auf Verständnis und Zustimmung gestoßen ist. Kein Alkohol polarisiert!
Alkoholbasierte Muster
Nach und nach wurde immer sichtbarer, was dahinter stecken könnte. Alkohol erschien mir, immer mehr wie ein manifestierter Bestandteil unserer Gesellschaft: Wir feiern, indem wir darauf anstoßen. Wir schauen Fußball beim Bierchen – schon mal versucht, in der Kneipe oder im Brauhaus ein Wasser zu bestellen? Zum guten Essen gehört natürlich ein guter Wein. Ach und wer trifft sich einfach so? Man trifft sich doch auf ein Gläschen, oder?
Auch bei mir konnte ich viele solcher Muster erkennen: „Oh schade, jetzt können wir gar nicht auf Deinen Geburtstag anstoßen“! Oder der erste Gedanke auf dem Weg zum Abendessen in einer Brauerei: „Och nee, dann kann ich deren Bier ja diesmal gar nicht genießen“. Hey! Überraschung! Die haben auch tolle, nicht-alkoholische Getränke auf der Karte! Und eigentlich hatte ich bereits Heiligabend (der Sektempfang fand vor der Kirche statt und war daher alkoholfrei) gelernt: auch ein toller Fruchtsaftmix aus einem Sektglas eignet sich super zum Anstoßen. Aber was, ohne ein entspanntes Glas Rotwein auf dem Sofa oder das zelebrierte Glas GinTonic zum Wochenende? Wie wäre es stattdessen denn, zum Beispiel mit sowas wie GingerBeer? Mit Wasser oder einem Saft der Wahl gemixt und dann stilecht mit extragroßem Eiswürfel in einem tollen Glas serviert? Jazzmusik an und siehe da: es braucht gar keinen Alkohol für besagte Stimmung… Auch lustig: das Meetup, auf dem das besondere „Kanadische Bier“ für den Networking-Teil explizit und mehrfach hervorgehoben wurde – wäre mir vor Januar vermutlich nie aufgefallen…
Und was hast Du davon?
Wenn ich auf den letzten Monat zurückblicke, freue ich mich darüber, mich auf dieses Experiment eingelassen zu haben. Auch wenn ich mit keinem anderen Ergebnis gerechnet habe, ist es doch schön, mir bewiesen zu haben, dass ich wirklich ohne Alkohol kann! Und es war super spannend zu sehen und zu erleben, wie fest und breitflächig Alkohol in unserer Gesellschaft verankert ist, bzw. welche Muster ich, in diesem Zusammenhang lebe. Mir darüber bewusst zu werden, statt unreflektiert weiter zu konsumieren, fand ich für mich persönlich, eine sehr wichtige Erfahrung.
On top habe ich ein paar Kilos verloren – ein schöner Nebeneffekt nach Weihnachten. Und glaube ich dem Internisten im Spiegel-Artikel, hat’s auch meinem Körper echt gutgetan. Habe ich mich wirklich besser gefühlt? Eigentlich hätte ich behauptet, dass ich keinen Unterschied gespürt habe. Doch wir haben Februar und der erste Alkoholkonsum (und ich habe es wirklich nicht übertrieben!) nach der Pause – den habe ich gemerkt! Mit schlechterem Schlaf, aus dem ich zudem mit Durst und leichtem Kopfdruck aufgewacht bin…
Was ich für mich mitnehme
Alkohol ist ein Genussmittel, das ich gerne konsumiere. Als Genussmensch möchte ich darauf auch nicht dauerhaft verzichten. Aber ich möchte viel bewusster damit umgehen. Nicht mit auferlegten Einschränkungen und starren Regeln, sondern mit Hinterfragen: Habe ich mir ein alkoholisches Getränk ausgesucht, weil ich es trinken möchte oder weil es hier gerade „dazu gehört“ (Stichwort Brauerei und Sektempfang)? Habe ich auch die alkoholfreien Alternativen auf der Karte in Erwägung gezogen, bevor ich mich für meine Bestellung entschieden habe? Schaue ich genauso engagiert nach neuen, nicht-alkoholischen Getränken wie nach dem nächsten Gin für unsere Sammlung?
Außerdem wird der Dry January zukünftig zu einem festen Bestandteil meines Jahres werden. Für mich, die keinen Karneval feiert, liegt der Januar direkt nach Weihnachten, viel näher am „Überfluss“ als die närrische Zeit. Ein guter Kalibrierpunkt, den ich gerne mit meinem Start in ein neues Jahr kombinieren möchte.


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