
Teilzeit-Zwickmühle: Sonderaufgaben & eigener Ehrgeiz
Es war nur eine Frage der Zeit bis die eigentliche Herausforderung meines Teilzeit-Experiments auf den Tisch kommen würde: meine eigenen Anforderungen – an mich selbst und an meine Arbeit. Ehrgeizig wie ich nunmal bin, will ich alles! Die reduzierte Arbeitszeit mit einem freien Tag die Woche und dabei Vorleben, dass Führung in Teilzeit klappt und viele Vorteile für alle Beteiligten bietet. Und zudem möchte ich auch weiterhin die Zusatz- und Sonderaufgaben, die an mich gestellt werden, übernehmen. Mathematisch erstmal unlösbar!
Aber von vorne: Nach meinem aufregenden Start sollte im Februar die Optimierung meines Selbstmanagements ein wichtiges To Do werden: Wie kriege ich meine Tage so optimiert oder priorisiert, dass ich in Ruhe und Gelassenheit agiere, obwohl ich einen Tag weniger Zeit habe? Oder von der anderen Seite aus betrachtet: finde ich einen Ausgleich, der mich die Tage, wie sie nun mal sind, ausgeglichen rocken lässt?
Das wäre wohl einfach zu einfach gewesen. Und so landete pünktlich zu Monatsbeginn eine zeitintensive Sonderaufgabe vom Geschäftsführer in meinen To Dos. Und on top noch eine Zusatzaufgabe! Passend zum kurzen Februar, bei dem von 20 Arbeitstagen im Rheinland auch noch zwei freie Karnevalstage abzuziehen sind.
Das Anforderungsmanagement bitte…
Auch wenn die dazu passende und vermutlich auch gerechtfertigte Frage ist: „Aber es ist schon bekannt, dass Du jetzt Teilzeit arbeitest?“, möchte ich betonen, dass ich mich keinesfalls über Sonderaufgaben beklagen will. Denn es sind eben diese, die ich wirklich, wirklich gerne mache. Ich freue mich sehr über das mir entgegen gebrachte Vertrauen und bin auch stolz darauf, dass sie mir übertragen werden. Das Teilzeit-Experiment hat absolut gar nichts an meinen Karriereambitionen und an meinem Ehrgeiz geändert. Es ist toll bei diesen Themen mit am Tisch sitzen zu dürfen und meinen Teil beitragen zu können. Gleiches gilt für Zusatzaufgaben, vor allem wenn es für mich persönlich Sinn ergibt, dass ich sie dazugewonnen habe.
Daher erntete ich – wohl auch zu Recht – erstaunte Blicke in meinem Umfeld, dass ich es nicht mal in Erwägung gezogen habe die Zuteilung der Aufgaben, in Bezug auf meine Teilzeit, zu diskutieren. Ja, es ist eine Zwickmühle, aber vor allem eine Selbstgemachte, denn ich will beides! Hier geht es also erstmal nicht ums Managen externer Anforderungen, sondern ums Jonglieren meiner Eigenen… Müsste ich mal lernen „Nein!“ zu sagen? Wahrscheinlich schon, aber dann erstmal zu mir selbst und an diesem Punkt bin ich einfach (noch?) nicht.
Und so sehe ich diese Aufgaben als weitere Herausforderung an mein „Selbstmanagement“, voller Überzeugung, dass ich beiden Herzen in meiner Brust gerecht werden kann. Auch wenn mir mathematisch schon klar ist, dass ich irgendwann an meine Grenzen kommen werde, geht mein ehrgeiziges Ich ganz optimistisch – oder naiv – von einem aktuellen Peak aus, der sich zwar noch in den März ziehen wird, aber dann… Und das kann ich, wie gehabt, ja mit Mehrarbeit kompensieren.
Läuft doch auch!
Nun, nach Ende des Monats, muss ich sagen: der ist wirklich ganz gut gelaufen – gerade in Anbetracht der neuen Aufgaben. Allerdings kam ich an meinen Arbeitstagen nicht ohne Überstunden aus und an manchen Abenden war ich echt platt. Das ist und bleibt zwar ein schwieriger Vergleich, denn das war in Vollzeit auch oft so – nur eben einen Tag die Woche mehr. Dennoch widerspricht meine aktuelle Lösung dem Teilzeit-Gedanken. Während meine freien Tage auch weiterhin arbeitsfrei blieben, blähte sich der Rest der Woche deutlich auf.
Und so lief das Tagesgeschäft soweit gut durch, meine Jahresplanung steht – nichts Zeitkritisches ist liegen geblieben. Auch die Zusatzaufgabe hat gut angefangen und der erste Teil der Sonderaufgabe ist planmäßig fertig geworden. Und das Beste dabei: Alles ohne zu „Flippern“.
Vielleicht, weil die erste Aufregung in Teilzeit zu arbeiten nachgelassen hat? Vermittelt mir mein Unterbewusstsein schon, dass das jetzt mein Alltag und damit ganz normal ist? Hat es angefangen sich einzuschwingen? Oder geben mir möglicherweise Zusatz- und Sonderaufgaben Selbstvertrauen? Denn, wenn Andere glauben, ich hab’s im Griff, bestätigt mich das in meinem Tun?
Bringt Stille Ruhe rein?
Oder es ist doch „die andere Seite“, die sich verändert hat? Seit meinem Schweige-Retreat versuche ich Stille durch Meditation und Achtsamkeitsübungen in meinen Alltag einzubauen. Auch wenn ich es nicht täglich schaffe zu meditieren, habe ich doch eine App, die mir drei bis vier Mal am Tag einen Achtsamkeitsimpuls aufs Display zaubert. Vielleicht zeigt auch das Wirkung?
Das Rennen um den Mittwoch
Der Februar ging (unbereinigt) 2:2 aus, im Bezug darauf, wie oft ich es geschafft habe meinen geplanten Wunsch-Wochentag frei zu haben. An einem Mittwoch fand eine Infoveranstaltung unseres Geschäftsführers statt – wo ich selbstverständlich teilnehme und wofür ich den freien Tag gerne schiebe. Und dass ich den zweiten Mittwoch schieben durfte war ein tolles Entgegenkommen meines Vorgesetzten: letzten Freitag stand die AgileSun (ein Barcamp in Wiesbaden) an – dafür habe ich selbst getauscht. Daher liegt die Quote eigentlich bei 3:1, wenn ich es Job-bedingt betrachte.
Stimmungsbarometer
Besonders gefreut hat mich die Aussage meines Bereichsleiters zur Jahresplanung. Er sehe wie neue Impulse und Ideen in meine Arbeit einfließen und gehe davon aus, dass dies ein Resultat aus meinem neuen Ansatz ist. Da hat er nicht Unrecht. Sicher ist davon nur ein Teil in den letzten beiden Monaten entstanden, aber definitiv während meiner Lernreise im letzten Jahr, die mich dorthin geführt hat, wo ich heute – mit meinen reduzierten Stunden – stehe.
Im Team lernen wir gerade uns noch besser untereinander abzustimmen. So war der Februar ein Mix aus Dienstreisen, HomeOffice- und Urlaubstagen aller plus meine variierende Teilzeit-Abwesenheit. Das bringt neuen Schwung und Transparenz durch klarere Kommunikation in unsere Büros.
Ich persönlich fühle mich ausgeglichener. Auch wenn es oft stressig ist und ich lange am Schreibtisch sitze, ist es doch der eine Tag „Freiheit“, der das wieder wett macht. Auch wenn es ein bisschen trotzig und naiv klingen mag, im Moment bleibe ich dabei: ich kann alles haben! Dass das ein Risiko – vor allem für mich selbst – birgt, ist mir dabei durchaus bewusst. Auch, dass weitere Aspekte wie mein reduziertes Gehalt in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden müssen, weiß ich.
Doch gerade investiere ich in meinen Traum und mein persönlicher
NewWork-Ansatz fühlt sich einfach gut und richtig für mich an.
Lessons Learned
So hat mich der Februar zwar darin bestärkt auf dem richtigen Weg zu sein: Meine neuen Impulse werden wahrgenommen und ich bin, trotz zusätzlicher Belastung, ausgeglichener. Aber ein tatsächliches Packan, wie ich meine Aufgaben und zudem noch die Anforderungen an mich (von außen wie von innen) besser managen kann, habe ich nicht gefunden. Ich kompensiere aktuell durch Mehrarbeit – und nehme dennoch immer weitere Aufgaben an, weil ich die eigene Messlatte für mich selbst und meine Arbeit nicht anpassen möchte.
Was dadurch im letzten Monat auf der Strecke blieb, war das persönlich wichtigste To Do: das eigene Selbstmanagement zu optimieren. Das wird mich im März auf jeden Fall einholen. Da wird eine Woche für die Sonderaufgabe benötigt, eine Woche habe ich frei und hey, der Rest könnte dementsprechend spannend werden… Daher kann ich nur hoffen, dass es tatsächlich die Achtsamkeitsübungen sind, die für meinen Ausgleich sorgen. Der perfekte Test-Monat also!
So oder so werde ich nicht drumrum kommen zeitnah über Methoden nachzudenken, die mir vielleicht sogar helfen könnten Ehrgeiz und verfügbare Zeit in die notwendige Balance zu bringen, damit der Preis für meine Teilzeit nicht zu hoch wird.
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay


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